Monografien
Wohnstandortentscheidungen in einer wohnbiographischen Perspektive – Eine explorative Studie in ländlichen und großstädtischen Kontexten.
Dieser Thünen Report untersucht Wohnstandortentscheidungen als im Lebensverlauf regelmäßig stattfindende Abwägungs- und Aushandlungsprozesse von Haushalten in Bezug auf einen subjektivangemessenen Wohnstandort. Neben Wohnmobilität (d. h. Gemeindegrenzen überschreitende Wanderungen oder innerörtliche Umzüge) wird das Bleiben an einem Wohnort als gleichwertige Handlungsoption thematisiert. Auch multilokales Wohnen und Rückwanderung an einen früheren Wohnort finden als weitere mögliche Optionen Berücksichtigung. Die Studie basiert auf einer Auswertung von 30 leitfadengestützten Interviews mit narrativen Elementen. Diese wurden 2019 und 2020 jeweils zur Hälfte in ländlichen Gemeinden und in Großstädten durchgeführt. Dabei wird eine wohnbiographische Perspektive verfolgt, denn Wohnstandortentscheidungen sind keine singulären Ereignisse. Vielmehr handelt es sich um wiederkehrende und zugleich veränderbare Entscheidungen, die im Kontext biographischer Erfahrungen, subjektiver Deutungen und Bewertungen, ökonomischer und kultureller Ressourcen, normativer Überzeugungen sowie sozialer Einbettungen getroffen werden.
Vor diesem Hintergrund und auf der Basis eingangs identifizierter Forschungslücken adressiert der folgende Bericht vier Forschungsfragen: 1. Wie verändern sich Wohnansprüche im Lebensverlauf? 2. Welche Rolle spielen weitere Faktoren neben Lebenslaufereignissen bzw. Statuspassagen für Wohnstandortentscheidungen? 3. Wie laufen wanderungs- und bleibebezogene Abwägungs- und Aushandlungsprozesse in Haushalten ab? 4. Welche Bedeutung kommt den subjektiv gedeuteten Raumkategorien „Stadt“ und „Land“ in Wohnbiographien und Wohnstandortentscheidungen zu?
Im Ergebnis der Studie ist festzuhalten, dass alterschronologische Lebensereignisse (biographische Statuspassagen, wie der Auszug aus dem Elternhaus, die Familiengründung oder -erweiterung und der Renteneintritt) von anhaltend großer Bedeutung für wohnstandortbezogene Abwägungs- und Aushandlungsprozesse sind. Sie bilden einen überindividuellen Rahmen, die Ausgestaltung einer Wohnbiographie ist jedoch stets einzigartig, denn weitere nicht-planbare Ereignisse und Anlässe verändern die Wohnansprüche und den Wohnbedarf. Wohnen und Wohnstandortentscheidungen werden stark von normativen Überzeugungen (normative beliefs) geprägt. Besonders wirkmächtig sind die Idee einer Wohnkarriere im Lebensverlauf, d. h. der stetigen Verbesserung der Wohnsituation, sowie das Ziel der Wohneigentumsbildung. Den Raumkategorien „Stadt“ (meist verstanden als Großstadt) und „Land“ (ländliche Gemeinden) werden unterschiedliche Standortofferten und -qualitäten zugeschrieben. In methodischer Hinsicht plädiert die Studie für eine Kombination von biographischen und geographischen Zugängen sowie für Interviews mit mehreren Mitgliedern eines Haushalts, um der Komplexität von Wohnstandortentscheidungen gerecht zu werden.
[« zurück]