Published on: 20. September 2023
Interview – ILS-JOURNAL 02/23
„Wir fragen uns bei jedem Umnutzungs-Projekt: Was brauchen die Menschen vor Ort?“
Interview mit Thomas Binsfeld
Mitglied der Geschäftsführung der Landmarken AG
© Andreas Kuchem
Was sind die größten Herausforderungen bei der Umnutzung von Großimmobilien?
Eine Umnutzung ist eine komplexe Aufgabenstellung, so etwas braucht Zeit. Es kann schon mal fünf bis zehn Jahre dauern, bis so eine Großimmobilie wieder eine neue Nutzung bekommt. Neben der Geduld ist auch eine verbindliche Entscheidungsfindung von Politik und Verwaltung entscheidend. Wer während eines Umnutzungsprozesses immer wieder die Richtung ändert und neue Ideen einbringt, wird das Projekt unnötig in die Länge ziehen. Außerdem ist es wichtig, dass die Menschen vor Ort die Bindung zum Gebäude nicht verlieren. Daher machen Zwischennutzungen wie Veranstaltungen oder Kunstausstellungen Sinn, die das Gebäude lebendig halten.
Die Landmarken AG war beispielsweise für die Umnutzung des Kaufhauses in Herne zuständig, für das Gesundheitshaus in Dortmund, das Quellwerk in Aachen und weitere Großimmobilien. Was würden Sie sagen ist bei diesen Umnutzungsprojekten ähnlich und was eher individuell?
Die neuen Höfe in Herne verfügen jetzt über ein multifunktionales Nutzungskonzept: Büros, ein Fitnessstudio, Ladenlokale und Gastronomie. Das funktioniert dort gut, heißt aber nicht, dass bei jeder Großimmobilie dieses Konzept funktionieren würde. Wir fragen uns bei jedem Umnutzungs-Projekt: Was brauchen die Menschen vor Ort? Dazu muss man sich das Gebäude im Bestand einfach sehr genau anschauen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für die Umnutzung: Wohnen, Büros, ein Hotel, Nahversorgung, Fitnessangebote, VHS oder Bibliothek. Wir planen in der Regel von oben nach unten. Im Obergeschoss eher Wohnen, Hotel oder Büroräume, im Erdgeschoss dann Gastronomie, zum Teil auch einzelne Geschäfte, Lebensmittelläden, Fitnessstudio. Bei allen Gebäuden müssen wir uns vorher die Statik anschauen, den Schallschutz und auch der Brandschutz muss beachtet werden. Je nach Gebäude kann dann Wohnen als Nutzung schon mal ausscheiden.
Welche Nutzungsmöglichkeiten werden am besten angenommen?
Mit Blick auf die Möglichkeiten des Homeoffice müssen wir uns aktuell fragen: Wo sollen noch Büroräume geschaffen werden und wo werden sie genutzt? Tatsächlich werden Büroräume im Innenstadtbereich sehr gut angenommen, denn die zentrale Lage und Erreichbarkeit ist hier gegeben und wird sehr positiv bewertet. In der Mittagspause können die Mitarbeitenden noch etwas besorgen oder aus dem vielfältigen gastronomischen Angebot wählen. Das kommt gut an.
Die Innenstädte und Zentren sind schon länger im Wandel – welchen Beitrag können neue Konzepte für Großimmobilien aus Ihrer Sicht hier leisten?
Aktuell ist mit der Innenstadt das Thema Einkaufen verknüpft. Was können wir aber sonst noch in der Innstadt machen? Wir könnten in einem ehemaligen Kaufhaus auch Angebote mit einer nachhaltigen Ausrichtung unterbringen. Orte, wo man etwas reparieren lassen kann, Stichwort „bewusster Konsum“, vielleicht sogar eine kleine Schreinerei, wo jemand den Menschen dieses Handwerk näherbringt; oder auch moderner gedacht: ein Angebot mit einem 3D-Drucker. Leider sind diese Ideen bisher aus wirtschaftlicher Sicht nicht tragbar. Hier wären Fördergelder sicherlich hilfreich. Denn es braucht Konzepte, die wirtschaftlich sind, sonst funktioniert die Umnutzung auf Dauer nicht.
Was könnte beim Ablauf eines Projekts aus Ihrer Planungssicht besser laufen? Was würde die Arbeit erleichtern?
Eine positivere Einstellung zum Thema Bestandsschutz wäre hilfreich. Wir sind diejenigen, die von außen kommen, mit Vorschlägen und Konzepten. Das wird oft misstrauisch beäugt, dabei müssen wir zusammenarbeiten mit der Politik, mit der Verwaltung. Wir wollen eine positive Veränderung für alle schaffen und das geht am besten gemeinsam. Dazu gehört auch, offen für Übergangslösungen zu sein und sie möglich zu machen. Manche reagieren auch skeptisch, wenn wir betonen, dass Nutzungskonzepte wirtschaftlich sein müssen. Aber das ist die Realität. Ein kreatives, innovatives Nutzungskonzept, das sich nicht selbst trägt und am Ende wieder für Leerstand sorgt, kann nicht das Ziel sein.
Das Interview führte:
Ann-Christin Kleinmanns
Modified on: 25. September 2023