Veröffentlicht am: 13. Dezember 2023
Comeback ländlicher Räume? Wanderungsbewegungen in Nordrhein-Westfalen
Angeregt durch die Debatte um eine neue Landlust und die Diskussionen um die Auswirkungen der Coronapandemie hat das ILS das aktuelle Wanderungsgeschehen in NRW untersucht.
Es wurden Wanderungsdaten für mehr als vier Jahrzehnte analysiert, Akteur*innen wurden in zwei Fallstudienkreisen interviewt und Expert*innen in einer Online-Umfrage befragt. Gefördert wurde das Forschungsprojekt durch die Bertelsmann Stiftung. Für die Analyse von Wanderungsdaten wurde eine vom Thünen-Institut für Ländliche Räume entwickelte Typisierung genutzt, um die Kreise und kreisfreien Städte als sehr ländlich, eher ländlich und nicht ländlich einzuordnen. Als zentraler Indikator für die Anziehungskraft als Wohnort wurden die mit der Einwohnerzahl normierten Wanderungsbilanzen betrachtet. Die Ergebnisse der Datenanalyse machen deutlich, dass sich bereits in den Jahren vor der Coronapandemie ein Trend zur räumlichen Dezentralisierung abzeichnete.
In den Jahren 2020 und 2021 hat sich diese Entwicklung erkennbar verstärkt. Die eher ländlichen Gebietseinheiten haben sich mit einem deutlichen Plus im Vergleich der Raumtypen an die Spitzenposition geschoben. Zudem fielen die Wanderungsbilanzen der sehr ländlichen Kreise günstiger aus als die Bilanzen der nicht ländlichen Gebietseinheiten. Damit haben sich die räumlichen Muster beim Wanderungsgeschehen innerhalb eines Jahrzehnts erheblich gewandelt. Das aktuelle Geschehen und die Hintergründe wurden anhand der Beispiele Hochsauerlandkreis und Kreis Euskirchen näher betrachtet. Eine wesentliche Erkenntnis der Fallstudienanalyse: Im Kreis Euskirchen hat es einen Schub bei den Stadt-Umland-Wanderungen aus den Städten Köln und Bonn gegeben. Die Zahl der Wanderungen ist größer geworden und die Bewegungen reichen oft weiter in das Kreisgebiet hinein als früher. Nach den Einschätzungen der interviewten Wohnungsmarktakteure hat zudem die Rückkehr von Personen, die mit der Region bereits verbunden sind, in den vergangenen Jahren zugenommen. Diese Entwicklung fällt im Hochsauerlandkreis als Erklärungsansatz besonders ins Gewicht. Darüber hinaus deutete sich in den Interviews an, dass es in den zwei betrachteten Regionen zum Phänomen von Lebensstil-Wanderungen in landschaftlich reizvolle Gegenden kommt. Hierbei verlagern vor allem Menschen ihren Wohnsitz, die die Regionen zuvor als Ausflugs- oder Urlaubsziel schätzen gelernt haben.
Im Fokus der im Sommer 2022 durchgeführten Online-Umfrage standen die mittelfristigen Auswirkungen der Coronapandemie, wobei Expert*innen aus dem gesamten Bundesgebiet befragt wurden. Bei den Trends der Raumentwicklung wird eine Verstärkung und eine Radiuserweiterung der Wohnsuburbanisierung gesehen. Betont wird in diesem Zusammenhang die räumliche Selektivität der Entwicklung. Ein spürbarer Aufschwung sei demnach in ländlichen Regionen vornehmlich für gut ausgestattete und gut angebundene Zentren zu erwarten. Mit Blick auf die Auswirkungen bis zum Jahr 2025 wird außerdem die Bedeutung von anderen treibenden Kräften herausgestellt. Nach Einschätzung der Expert*innen ist die Entwicklung der Wohnungs- und Immobilienmärkte der mit Abstand wichtigste Treiber für die Raumentwicklung. Außerdem wird der Einfluss herausgestellt, dem die Entwicklung der Energie- und Mobilitätskosten zukommt.
© Jutta Rönsch / ILS
Kontakt
Weiterführende Links
Zur Studie „Comeback ländlicher Räume? Wanderungsbewegungen in Nordrhein-Westfalen“
Münter, Angelika., Garde, Lisa., in der Beck, Lea. und Osterhage, Frank (2023) „Wohnen in Krisenzeiten – Wirkungen der Covid-19-Pandemie und der Energiekrise auf Wohnpräferenzen und Wohnstandortentscheidungen“, Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning. doi: 10.14512/rur.1728
Aktualisiert am: 20. Dezember 2023